„Nosen“ in homöopathischen Dosen

Bei Markus Classens Whisky-Tasting im Münsteraner COACHINGBÜRO SINN MEETS MANAGEMENT wurde mal wieder der Geist aus der Flasche gelassen…

Was in exzellenten Restaurants der Sterneklasse zum Standard gehört – erlesene Gerichte zusammen mit „korrespondierenden Weinen“ zu kredenzen –, wurde am Freitag, 9. Juni 2017, von Gastgeber Markus Classen auf außergewöhnlich genussreiche Weise variiert: In einem „Food Paring“ begleiteten kleine und feine Köstlichkeiten aus Wald, Fluss, Ozean und von der Weide diesmal sechs Whiskysorten vom Allerfeinsten.

In ihren typischen Farbnuancen von zartem Blassrosa bis hin zu einem tiefen Gerstengold, präsentierten sich die duftenden Schönheiten in sogenannten „Nosing-Glasses“, deren sich nach oben hin schwungvoll öffnende Kelche noch mit einem sanft gewölbten Uhrenglas verschlossen blieben, um den intensiven Aromen – von meersalzigem Tang über rauchige Noten bis hin zur blumigen Anmutung einer Highlandwiese im späten Mai – nur ja keine Gelegenheit zu bieten, sich zu verflüchtigen, bevor es zum Rendevous der edlen Tropfen (nein, nicht mit Nuss, sondern) mit einem Carpaccio von Lachs oder Entenbrust und zum Finale dann einem kleinen Stück Zartbitterschokolade mit Orangensplittern auf der Zunge kommen konnte.

Wahrlich kundig führte Whisky-Experte Markus Classen die geladenen Genießer, allesamt entbehrungsreich eingestimmt auf das sinnliche Ereignis durch eine arbeitsreiche Woche, zunächst mit der Nase, sprich „Nose“, an die „Glasses“ heran, wo sich der Zauber der ätherischen Düfte sogleich entfaltete – und mit ihnen ein Panorama der Bilder und Klänge schottischer Weite tiefer Seen und grüner Täler, aus denen von Ferne die sehnsuchtsvolle Melodie einer Uileann Pipe an das innere Ohr drang.

„Food-Paring“ beim Whisky-Tasting – rechts im Bild: Gastgeber Markus Classen.

Und weil nun, nach Immanuel Kant, die Anschauung aller Pracht ohne Begriffe ja blind (wie zugleich alle Begriffe ohne die Anschauung so leer wie ein Nosing Glass ohne Whisky) zu bleiben pflegt, vermochte Sommelier Classen das Erlebnis jener Erweckung feinstofflicher Eindrücke einer phantastischen Reise nur noch zu steigern, indem er jene für alle Anwesenden – und doch bereits Entrückten – in Worte zu fassen verstand, durch die sich das Erlebte recht eigentlich erst als Erkenntnis erschloss.

In der erzählerischen Tradition des unvergessenen Henry Glass war über die „Seele vom Holz“, in dessen Fässern der Whisky, das „Wasser des Lebens“ – im gälischen Urlaut das „Uisce beathad“ – gereift, über die magischen Methoden seiner Gewinnung bis hin zur rechten Gesinnung zu allen Zeiten, den göttlichen Trank zu würdigen, der schon irische Mönche „die Qual und die Mühsal des irdischen Daseins nachhaltig vergessen machte“, blieb nichts an Wesentlichem wohl ungesagt, eine Kostprobe:

„‘Wuski muss man zum Holze geben, nur dorten er seine Seele erhält‘, poetierte [schon] ein Sachkundiger des 16. Jahrhunderts. ‚Auf welche Weise sich dies Wunder vollzieht, ich sage es Euch, der Mensch vermag es niemals zu deuten‘ – selten hat einer so gründlich recht behalten wie der Skeptiker aus dem Morast der schottischen Highlands“ (Henry Glass, Weltquell des gelebten Wahnsinns, Zürich, Verlag Kein & Aber, 2008, S. 38).

„Der Whisky wirft mehr Fragen auf, als man von ihm trinken kann“, wusste schon der Chemiker John Conner von der University of Strathclyde […] – eine „Menagerie von 800 unterschiedlichen Substanzen haben Experten im Lauf der letzten Jahrzehnte im Malt Whisky entdeckt“ [ebd., S. 39), was die Münsteraner Freitagsgemeinde im COACHINGBÜRO SINN MEETS MANAGEMENT allerdings gänzlich ungerührt ließ, weil ja derartige Zahlenspiele doch gar keinen Sinn machen.

Denn darum ging es an jenem sagenhaft entschleunigten Abend, von dem niemand berauscht, doch jeder inspiriert (und sogar noch zu christlicher Zeit) seinen Heimweg antrat: Momente des maßvollen Genießens in der bewussten Abkehr von aller schnöden Verzweckung zu schaffen, um – nicht nur als Manager – im Berufsalltag Mensch zu bleiben, und zwar nicht bloß in homöopathischen Dosen.

Das „Tasten und Nosen“ edlen Whiskys allerdings in der nächsten Ausgabe der von Coaching-Pionier Christopher Rauen herausgegebenen Buchreihe „Coaching Tools“ (Verlag ManagerSeminare) in den Katalog der Werkzeuge unseres Handwerks aufzunehmen, wäre dann doch vielleicht etwas hoch gegriffen…

Günter A. Menne M.A. | Zertifizierter Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching e.V.